Interview mit Klaus Merkel vom IRT: „HbbTV ist kein Lückenbüßer, sondern auch für IPTV das beste System zur Nutzung von Zusatzdiensten!“


Herr Dipl.-Ing. Klaus Merkel vom IRT
"IPTV next steps", so lautete der Titel des diesjährigen Symposiums des Deutschen IPTV-Verbandes. Dieses fand am 26. November 2009 in Berlin statt. Einmal mehr wurde aufgezeigt: Die Entwicklung von IPTV geht rasant voran, auf allen Ebenen!

Die Themen waren mannigfaltig: IPTV, Web TV, klassisches Fernsehen, Produktion von Inhalten, Lizenzierung, Social Networking – und HbbTV! Noch nie gehört?

Damit sind Sie nicht alleine, denn der erste Empfänger kommt erst diese Tage bei HUMAX auf den Markt (Humax iCord HD+). Doch dieser neue Ansatz wird künftig an Relevanz gewinnen. Warum erfahren Sie im folgenden Interview.

Wir wollten von Dipl.-Ing. Klaus Merkel wissen, was dahinter steckt. Er leitet Projekte zum Thema IPTV und hybride TV-Empfänger im Sachgebiet „Plattformen für Rundfunkdienste“ am IRT. Das am Institut für Rundfunkdienste (IRT) fördert den Erfahrungsaustausch zwischen Mitarbeitern des Rundfunks und Interessengruppen aus Industrie & Medien.



hbbtv-infos.de: Herr Merkel, was sind die Vorteile von HbbTV® gegenüber dem klassischen TV und gegenüber IPTV?

Merkel: HbbTV® ergänzt sowohl klassisches TV wie auch IPTV um eine große Menge an zusätzlichen Unterhaltungs- und Informationsangeboten aus dem Internet. Vieles davon ist heute ja schon im Internet verfügbar, kann bislang aber nur über PCs in etwas unbequemer Arbeitsatmosphäre und mit relativ kleinem Bildschirm genutzt werden.


Mit HbbTV® werden diese vielen Angebote in eine Umgebung gebracht, die auf bequeme und entspannte Nutzung optimiert ist: das Fernsehgerät und die Couch davor. Die Inhalte sind dabei in einer Weise aufbereitet, die eine einfache Navigation mit der Fernbedienung erlaubt.



hbbtv-infos.de: Was muss ich beachten, wenn ich HbbTV® zu Hause nutzen will? Können Sie kurz erläutern, welche Technologie hinter HbbTV® steckt?

Merkel: Für die Nutzung zu Hause sind zwei Dinge wichtig:
1. ein TV-Gerät oder eine Set-Top-Box mit HbbTV®-kompatiblem Browser und
2. ein breitbandiger Internetzugang, der auch den Abruf von Videos aus Mediatheken erlaubt.

Nur so kann das volle Dienstangebot empfangen werden. HbbTV® nutzt als Basistechnologie für die Darstellung der über das Internet übertragenen Dienste HTML und Javascript. Dazu kommen H.264 für die Videocodierung, DSM-CC für die Übertragung von Angeboten über den Rundfunkkanal sowie weitere Komponenten zur Integration von Rundfunk- und Internet-Diensten.


hbbtv-infos.de: Kritische Stimmen meinen, HbbTV® sei nur ein Browser für den Fernseher. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

Merkel: Kernkomponente von HbbTV® ist tatsächlich ein Browser für den Fernseher. Ein einheitlicher Standard für einen solchen Browser kann aber für Anbieter von solchen Diensten schnell zu einer kritischen Masse an Geräten im Markt führen. Das kann ein enorm großes Dienstpotenzial freisetzen - zum Nutzen des Zuschauers.


HbbTV® steht aber auch für mehr: Sender können aus dem laufenden Programm nahtlos auf ihre jeweiligen Zusatzangebote verlinken. Der Konsument muss nicht umständlich nach bestimmten Angeboten suchen.


hbbtv-infos.de: Gibt es in Europa oder weltweit bereits Länder, die HbbTV® erfolgreich eingeführt haben?

Merkel: Es gibt eine Reihe von Ländern, die eine Markteinführung von HbbTV® planen. Die Märkte in Deutschland und Frankreich werden hier Vorreiter sein. Wir erwarten erste Geräte noch dieses Jahr im Markt.


hbbtv-infos.de: Wie sieht aus Ihrer Sicht die Zukunft von HbbTV® aus?

Merkel: HbbTV® hat sicherlich ein sehr großes Potential und der Rückhalt der Industrie und der Anbieter ist sehr überzeugend. Insofern hat dieses System gute Chancen, bald zur Standardausrüstung von TV-Geräten zu werden und damit nicht nur den Teletext nach 30 Jahren mit einem weit größeren Funktionsumfang abzulösen.


Zugleich bietet es auch eine ganze Reihe neuer Mehrwertdienste für Rundfunkanstalten, Internetanbieter und die Geräteindustrie. Darunter fallen beispielsweise TV‐Editionen der Mediatheken, Fernsehen auf Abruf, interaktive Werbung, Personalisierung, Abstimmungen, Spiele und Zugang zu sozialen Netzwerke.


hbbtv-infos.de: Doch Hand aufs Herz: Ist HbbTV® nur ein Lückenbüßer, bis IPTV flächendeckend zur Verfügung steht?

Merkel: HbbTV® lässt sich mit IPTV ebenso kombinieren wie mit dem klassischen Rundfunk. Von daher ist HbbTV® kein Lückenbüßer, sondern auch für IPTV das optimale und offenste System um dem Nutzer über IP-Netze neben dem linearen TV noch weitere Dienste anzubieten.


hbbtv-infos.de: Sie haben bei der Erarbeitung des Standards mitgewirkt. Wo gab es dabei die größten Differenzen zwischen den beteiligten Parteien?

Merkel: Es gab tatsächlich eine ganze Reihe an technischen Diskussionen - letztlich waren das aber immer eher Detailfragen. Bei der Systemarchitektur insgesamt sowie bei den wesentlichen technologischen Eckpunkten bestand recht schnell Einigkeit.


Einen ersten Entwurf des Standards hatten wir innerhalb weniger Wochen bereits bis Mai 2009 fertiggestellt. Bis zur Einreichung bei ETSI letzte Woche haben sich keine wirklich grundsätzlichen Änderungen ergeben.


hbbtv-infos.de: Wie wurde der neue Standard von der Industrie und den Anspruchsgruppen aufgenommen?

Merkel: Das Echo der meisten Marktpartner ist sehr positiv. Entscheidend ist nun natürlich die Unterstützung durch die Endgeräteindustrie. Hier haben bis jetzt ca. 15 Firmen angekündigt, entsprechende Produkte in den Markt zu bringen - darunter die ganz großen Hersteller von digitaltauglichen TV Geräten als auch wichtige Hersteller von Set-Top-Boxen.

hbbtv-infos.de:
Herr Merkel, herzlichen Dank für dieses Interview und weiterhin viel Erfolg!



Weitere Informationen:

- Homepage IRT

- Homepage DIPTV: www.diptv.org





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